Krisen scheinen ein maßgebliches Kennzeichen der westlichen Moderne zu sein. Die Autoren des Bandes betrachten Krisen aus kulturvergleichender und historischer Perspektive und analysieren sie dabei als soziale Konstrukte, als Wahrnehmungen, Erfahrungen oder auch als Diskurse. Sie zeigen, wie Krisen die Vorstellungen und Strukturen von Gesellschaften rasch und unerwartet von Grund auf verändern können. Und sie machen deutlich, dass jede Krise zugleich auch Ausdruck der Gesellschaft ist, in der sie erscheint. Thomas Mergel ist Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Mit dieser Studie füllt der an der Ruhr-Universität lehrende Historiker eine Lücke in der auf deutschsprachigen Literatur. Einleitend stellt er in der britischen Geschichtsschreibung 2 divergierende Sichtweisen des 20. Jahrhunderts fest. Er stellt z.B. dem Abstieg der Ökonomie den Aufbau des Wohlfahrtsstaates, dem Abschied vom Empire die Einbindung in Europa gegenüber. Die Darstellungsweise ist wohlabgewogen, wissenschaftlich präzise, durch Tabellen und exkursähnliche Einschübe im Text sowie ein kommentiertes Literaturverzeichnis und Personen- und Sachregister vervollständigt. Vergleichbares steht nicht zur Verfügung.
In: Journal of modern European history: Zeitschrift für moderne europäische Geschichte = Revue d'histoire européenne contemporaine, Band 19, Heft 1, S. 80-102
Ausgehend von Max Webers These von der protestantischen Erwerbsethik untersucht der Aufsatz eine unterschätzte und kaum erforschte Teilgruppe des Bürgertums im 19. Jahrhundert: Rentiers, also Bürger, die nicht arbeiteten, sondern sich entweder (häufig in relativ jungen Jahren) zur Ruhe gesetzt oder vielleicht auch niemals gearbeitet hatten; sie lebten von den Erträgen ihres Kapitals. Nicht nur ihre zahlenmäßige Bedeutung, sondern auch ihre gesellschaftliche Rolle vor allem im kommunalen Leben, in ehrenamtlicher Tätigkeit und Lokalpolitik verweist darauf, dass die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts für ihr Funktionieren der Nichtarbeit bedurfte. Trotz einer kritischen Beobachtung durch Sozialwissenschaft und Literatur genossen die müßigen Bürger Ansehen. Davon ausgehend stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Arbeit im bürgerlichen Leben generell. Der Aufsatz argumentiert, dass die (bürgerliche) Arbeit nach heutigen Verständnis sehr viel weniger "rastlos" war, als das Max Weber und unser heutiges Verständnis nahelegt. Der Rentier als Ausdruck eines "mäßigen" Verhältnisses zur Arbeit ist aber eine Erscheinung des 19. Jahrhunderts. Mentalitätswandel einerseits, der Rückgang der ökonomischen Chancen andererseits und schließlich der Erste Weltkrieg mit seinen inflationären Auswirkungen beendete eine typische bürgerliche Lebensform des 19. Jahrhunderts.
In den 1970er-Jahren lief im westdeutschen Fernsehen eine Serie der Augsburger Puppenkiste, deren Held und Titelgeber der kleine König Kalle Wirsch war. Kalle Wirsch, König der Erdmännchen, war, wie sein Name sagte: ein freundliches kleines Männchen, alles andere als unwirsch. Der Name aber irritierte – wer benutzt schon das Wort "wirsch"? Das Wort gibt es tatsächlich, es ist aber kein Gegenbegriff zu "unwirsch", sondern eine Verballhornung von "wirr". Zu "unwirsch" gibt es keinen Gegenbegriff. Der kleine König Kalle Wirsch mag einem bei "Gleichheit und Ungleichheit" in den Sinn kommen. Denn viel wird gesprochen von Ungleichheit, und dies vor allem im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit. Aber Gleichheit? Nur ganz wenige Autoren haben über deren Geschichte nachgedacht. Einer davon ist der Zürcher Historiker Jörg Fisch. Er fasst, bezogen auf das späte 19. Jahrhundert, Gleichheit vor allem als einen Anspruch, als eine Forderung. Sie ist also etwas, was (noch) nicht ist. "Gleichheit" blieb als die bürgerliche Forderung nach rechtlicher und politischer Gleichberechtigung stehen und wurde (jedenfalls in Europa) im späten 19. und im 20. Jahrhundert zumindest teilweise eingelöst. Die Forderung nach sozialer Gleichheit jedoch, die aus revolutionären Bewegungen kam, ließ sich nicht einmal als Anspruch durchhalten, wurde als staatsgefährdend identifiziert und erbittert bekämpft. Soziale Gleichheit erhielt das Stigma des Utopismus und behielt lediglich in der Forderung nach Abbau (und nicht Abschaffung) sozialer Ungleichheit eine gewisse Berechtigung.
In den 1970er-Jahren lief im westdeutschen Fernsehen eine Serie der Augsburger Puppenkiste, deren Held und Titelgeber der kleine König Kalle Wirsch war. Kalle Wirsch, König der Erdmännchen, war, wie sein Name sagte: ein freundliches kleines Männchen, alles andere als unwirsch. Der Name aber irritierte – wer benutzt schon das Wort "wirsch"? Das Wort gibt es tatsächlich, es ist aber kein Gegenbegriff zu "unwirsch", sondern eine Verballhornung von "wirr". Zu "unwirsch" gibt es keinen Gegenbegriff. Der kleine König Kalle Wirsch mag einem bei "Gleichheit und Ungleichheit" in den Sinn kommen. Denn viel wird gesprochen von Ungleichheit, und dies vor allem im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit. Aber Gleichheit? Nur ganz wenige Autoren haben über deren Geschichte nachgedacht. Einer davon ist der Zürcher Historiker Jörg Fisch. Er fasst, bezogen auf das späte 19. Jahrhundert, Gleichheit vor allem als einen Anspruch, als eine Forderung. Sie ist also etwas, was (noch) nicht ist. "Gleichheit" blieb als die bürgerliche Forderung nach rechtlicher und politischer Gleichberechtigung stehen und wurde (jedenfalls in Europa) im späten 19. und im 20. Jahrhundert zumindest teilweise eingelöst. Die Forderung nach sozialer Gleichheit jedoch, die aus revolutionären Bewegungen kam, ließ sich nicht einmal als Anspruch durchhalten, wurde als staatsgefährdend identifiziert und erbittert bekämpft. Soziale Gleichheit erhielt das Stigma des Utopismus und behielt lediglich in der Forderung nach Abbau (und nicht Abschaffung) sozialer Ungleichheit eine gewisse Berechtigung.
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
"Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Sebstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander."
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
In: Von der Politisierung der Medien zur Medialisierung des Politischen?: zum Verhältnis von Medien, Öffentlichkeiten und Politik im 20. Jahrhundert, S. 29-50
Der Verfasser stellt auf der Basis systemtheoretischer Überlegungen fest, dass Politik und Medien zwar eng gekoppelt sind, ihre funktionalen Leistungen füreinander aber nur erbringen können, wenn sie ihre systemische Verschiedenheit bewahren. Ein linearer Prozess hin zu einer vollkommenen Medialisierung der Politik ist somit kaum möglich, denn dann würden sich beide Systeme ineinander auflösen. Was die Beziehung der beiden Systeme angeht, so schlägt der Verfasser hier drei Differenzierungen vor: Historisch gesehen wechseln Medialisierungs- und Politisierungsphasen einander ab, oft sind beide miteinander verwoben. Weiter sind verschiedene nationale Entwicklungen zu beachten und schließlich plädiert der Verfasser dafür, diejenigen Rezipienten stärker ins Blickfeld zu nehmen, die von Politisierungsschüben möglicherweise gar nicht oder nicht im intendierten Sinne erfasst werden. (ICE2)
AbstractThe culture of election campaigning in postwar Western Europe allegedly has been shaped by a process of Americanization. In terms of political communication, Americanization has four distinct features: proximity of political marketing to commercial marketing, personalization and professionalization of campaigns, and media centered strategies. Based on an analyses of some European cultures of electioneering – Germany, Great Britain, and Italy – the main thesis of the paper is that the shared features are only to a smaller degree the results of American influences, but rather parallel trends due to structural commonalities like being medialized democracies in welfare and consumer societies, politically shaped by the Cold War context. The 1980s, however, meant a threshold: private media have risen across Europe and policy issues from the "new social movements" were pressured into the policy agenda. Although this has furthered the "Americanization" of European electioneering styles, at the same time several European elections point to an increased Europeanization of electioneering. On the whole, however, different national political cultures continue to modify and change American and European influences, creating local variations of campaigning.
Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Sebstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.